Das LutherWiki gibt ist auch als WhatsApp-Kanal. Hier abonnieren und immer Sonntags was Neues erfahren.

Röhrwasser

Aus LutherWiki
(Weitergeleitet von Jungfernröhrwasser)

War die Wasserversorgung in vorindustriellen Zeiten fast ausschließlich geprägt von schlichter Notwendigkeit für das Überleben von Mensch und Tier, schleicht sich im Mittelalter und der Frühen Neuzeit (alles zwischen dem 6. und 16. Jahrhundert) ein gewisser Luxus hinsichtlich der Wasserversorgung ein. Man beginnt hölzerne Röhren von Quellgebieten in die Stadt zu verlegen und sorgt damit erstmalig für fließendes Wasser auf Grundstücken und Höfen. Natürlich erst einmal für die, die es sich leisten konnten.

Insgesamt 4 Röhrwasser bzw. Röhrfahrten wie sie auch genannt werden, sorgen so im Laufe der Jahrhunderte für frisches Wasser in Wittenberg.

Begonnen hat alles im Jahr 1542 mit dem Neffe und Nachfolger des berühmten sächsischen Luther-Kurfürsten Friedrich dem Weisen: Kurfürst Johann Friedrich dem Großmütigen. Der konnte sich die Erschließung eines eigenen Quellgebiets leisten und so begann mit ihm die Wittenberger Wasserversorgung einen gänzlich neue Stufe zu erreichen.

Schlossröhrwasser

Schlossröhrwasser um 1542

Es ist Sommer im Jahr 1542 und der sächsische Kurfürst Johann Friedrich der Großmütige äußert den Wunsch, man möge ihm und seinem Hofstaat endlich fließend Wasser in das Wittenberger Schloss einleiten. Schließlich verfügen auch schon andere Städte des 16. Jahrhunderts über solcherlei Wasserleitungen und da wird es sich für einen Kurfürsten wohl geziemen, wenn auch er Derartiges sein Eigen nennen kann.

Er ruft nach dem damaligen Bürgermeister Philipp Reichenbach und dem Amtmann Christoff Groß. Ein Röhrwasser soll angelegt werden und so macht man sich auf die Suche nach einem geeignet Quellgebiet. [1]

Quellgebiet

Ein erfahrener Brunnenmeister wird fündig: Das Quellgebiet, es liegt rund 1,2 Klm nördlich von Teuchel, ist eine Überlaufquelle, die schon in der Saale-Kaltzeit, vor etwa 200.000 Jahren entstand. Frisches Wasser ist somit garantiert. Üppig sprudelt das Wasser nun durch die hölzernen Röhren in das Schloss und erzeugt einen so großen Überschuss, dass man sich entschließt diesen Überschuss, sogenannte "Portionen", an den Marktplatz und die Universität Leucorea zu verteilen.

Vom Schlossröhrwasser gibt es um das Jahr 1542 also insgesamt 20 Portionen: 5 für das Schloss und das Amtshaus, 5 für einen Brunnen, der damals auf dem Campus der Universität Leucorea stand und 10 für die Bürger und den Stadtrat. Die 5 Portionen auf dem Schlossgelände verteilte sich zu Teilen auf den sechseckigen Brunnen, der damals noch auf dem Schlossplatz stand, sowie auf 2 Küchen und auf 2 Badestuben. [2]

Technische Besonderheiten

Anzunehmen ist, dass eine Portion in der Minute etwa 2,5 Liter Wasser bereitstellte. Bei 20 Portionen ergibt sich eine Wassermenge von 50 Litern in der Minute. Beachtlich auch weil es nie einfror und kontinuierlich diesen Durchsatz halten konnte, auch in Dürrejahren wie zum Beispiel 1904 und 1911.

Schlossröhrwasser nach 1546

Im Laufe der Jahre, Jahrzehnte und Jahrhunderte veränderte sich immer wieder Umfang und Nutzen des Röhrwassers und seiner Portionen. So sind zum Beispiel nach der Niederlage des Schmalkaldischen Krieges im Jahr 1547 die 5 Portionen des Schlosses nicht mehr notwendig (weil der kurfürstliche Hof nach Weimar verlegt wird), so dass eine Portion abgegeben wird. Es bleiben somit die ursprünglichen 20 Portionen erhalten, aber die Besitzer und mit Röhrwasser belieferten Grundstücke wechseln.

Auch um 1800 wird der Unterhalt des Schlossröhrwasser noch aufrechterhalten. Zu jener Zeit zahlt zunächst die kurfürstliche, dann die königlich-sächsische Kammerbaukasse für die Instandhaltung der Leitungen.

Zu jener Zeit hatte jeder Besitzer einer Portion jährlich 3 Taler für die Besoldung eines Röhrmeisters zu bezahlen. Portionen wurden entweder vererbt oder verkauft. Für 50 bis 100 rheinische Taler wechselte so ein Wasseranschluss dann den Besitzer - und meist dann auch das Grundstück. [3]

Um das Jahr 1920 war der Zustand des Schlossröhrwassers desolat. Die Holzröhren waren brüchig und morsch und der preußische Staat würde gerne die Röhrleitungen (Röhrfahrt) an die Stadt Wittenberg abtreten. Sie wussten, dass das Ersetzen der hölzernen Röhren durch eiserne Röhren ein kostspieliges Unterfangen wird. Und tatsächlich: 1923 übernimmt der Rat der Stadt das Schlossröhrwasser und ist damit verantwortlich für den Erhalt der, zu jener Zeit, 23 Portionen. Im Gegenzug erhält der Stadtrat zusätzlich verschiedene Grundstücke, deren Werte sich auf einige hunderttausend Mark summieren. Darunter die Grundstücke der Schlosskaserne, das Garnisonskommando, das Birkenwäldchen, die ehemalige Reitbahn und das Feldwebelhaus. [4]

In den darauffolgenden Jahren sinkt das Interesse am Schlossröhrwasser. Für dessen Erhalt werden nur noch mäßig Ressourcen aufgewendet, so dass das Wasser nicht mehr in der vereinbarten Menge die Portionen speiste, was zu Unmut bei den Haushalten führte. Zu einer Verbesserung führt das Einspeisen normalen Leitungswasser aus dem Wasserwerk. Dafür zahlen die Haushalte auch nur einen Drittel des normalen Wasserpreises.

Ab 1929 laufen die Verträge des Schlossröhrwassers aus, ohne dass sie neu vergeben werden. [4]

Wink: Die Seite über das Schlossröhrwasser scheint noch unvollständig zu sein. Erstellen Sie hier Ihr kostenloses Benutzerkonto und fügen Sie Ihr Wissen hinzu!

Altes Jungfernröhrwasser

Das "Alte Jungfernröhrwasser" dürfte das bekannteste und in Wittenberger Stadtführungen meistbeschriebene der 4 Röhrfahrten sein.

Wie das prächtige Wittenberger Rathaus, welches auch auf Drängen der reichen Tuchmacher und Gewandschneider ab 1521 gebaut wurde, ist das Alte Jungfernröhwasser ebenfalls ein Symbol des aufstrebenden Bürgertums. Es entschlossen sich Anfang des Jahres 1556 sieben wohlhabende und stadtbekannte Persönlichkeiten dazu, ebenfalls Röhrwasser auf ihre Grundstücke zu leiten.

Quellgebiet

Als Quellgebiet wählten sie einen Zufluss der heute im Neubaugebiet Lerchenberg (Otto-Nuschke-Straße) und der Berliner Chaussee liegt.

Sie gründeten zunächst ein "Consortium" und stellten ein Gesuch an den Rat der Stadt. Das Privileg für ihr Vorhaben wurde ihnen am 27. Juli 1556 erteilt.

Gründungsmitglieder

  • Hieronimus Krapp (Bruder von Katharina Krapp, am 27. November 1520 wurde sie die Frau von Philipp Melanchthon. Um 1557 war Hieronimus Krapp Bürgermeister in Wittenberg)
  • Christoff Niemeck
  • Hanns Lufft (Kämmerer und Stadtrichter. Er wurde "Bibeldrucker" genannt, weil er 1534 die erste Vollbibel druckte. Es folgten ca. 100.000 Bibeldrucke aus seiner Werkstatt.)
  • Lucas Cranach
  • Caspar Pfreundt (zunächst Apothekergehilfe von Lucas Cranach d. Ä., heiratete 1547 dann Anna, die Tochter Lucas Cranachs und wurde im selben Jahr Eigentümer der Apotheke "Am Markt 4" in Wittenberg. Er war der Schriftführer und Schatzmeister des Röhrwasser-Consortiums)
  • Cunradt Rühel
  • Christoff Schramm (Drucker, Verleger und Buchhändler) [4]

Nach einem holprigen Start, der wohl einem lustlosen Röhrmeister geschuldet war, wurde nach dem Röhrmeister Hans Voll gerufen, der gerade in Halle weilte. Der Bote Otto Schrötter erhielt 10 Groschen für seinen Botengang (eher ein Dauerlauf), da "er hat sunst nit laufen wollen", wie uns Aufzeichnungen wissen lassen. [5]

Der neue Röhrmeister Hans Voll erhielt einen Lohn von 50 Gulden für die gesamte Bauzeit. Die dauerte von 14. August 1556 - 22. Juli 1558 und kostete insgesamt 507 Gulden, 3 Groschen und 11 Pfennige. Für weitere 3 Jahre erhielt Hans Voll noch 16 Gulden pro Jahr "on Top" und für jede Holzröhre die er bohrte 14 Pfennige.

Glücklich müssen die Gründungsmitglieder gewesen sein, als zum Schluss der letzte Lohn ausgezahlt wurde, denn Caspar Pfreundt, Schatzmeister und Schriftführer der Gründungsmitglieder quittiert die letzte Auszahlung mit den Worten "Gott Lob", lateinisch "Laus deo". [6]

Technische Besonderheiten

1933 flossen etwa 100 Liter Wasser durch die seit 1800 vermehrt eingesetzten Eisenrohre. In einer Stunde also etwa 6.000 Liter. Der Durchsatz nahm über die Jahrzehnte kontinuierlich ab, was dazu führte, dass im Jahre 1977 nur noch etwa 3.600 Liter transportiert wurden. (S.58)

Neues Jungfernröhrwasser

Dies und Das

  • Den unterirdischen Verlauf der Röhrleitungen konnten die Bauern im Sommer gut auf ihren Feldern an der Höhe und der Qualität des Getreides feststellen. Leckagen versorgten die Pflanzen um die Leitungen herum mit Wasser, was ihrem Wuchs zu Gute kam. [1]
  • Am 30.12.1543 wird Matthaeus Becher der erste Röhrmeister Wittenbergs. Er wird vom Rat der Stadt und der Universität angestellt. [7]
  • Ab 1558 wird zum ersten Mal das "Alte Jungfernröhrwasser" als solches benannt. Vorher hieß es bei den Bürgern einfach "Quell" oder "dieses Wasser". [8]
  • Der Name des Dorfes "Teuchel" (auch Teichel, Deichel, lat.: ductile), das heute ein Ortsteil Wittenbergs ist, bedeutet "hölzerne Wasserleitungsröhre". S.82

Anmerkungen

Belege