
Rathaus
Die Lutherstadt Wittenberg erhielt das Stadtrecht im Jahr 1293 durch den Askanierherzog Albrecht II.. Von da an war es möglich eine Stadtmauer zu bauen um sie damit vor Angriffen und Plünderungen zu schützen. Erstmalig erwähnt wird eine Stadtmauer 1332. [1] Wittenberg erfuhr dadurch einen enormen Aufschwung im Bereich Handel und Gewerbe, denn die Stadtbefestigung mit ihren 11 Türmen und 3 Tortürmen sorgte für ein hohes Sicherheitsgefühl bei Händlern und Bürgern (1372). [2]
Wittenberg lag an zwei sich kreuzenden Handelswegen. Von Dresden kommend läuft eine Route durch die Stadt in Richtung Lausitz bis nach Prag, die 2. Route führt über die Elbe in nördliche Richtung nach Berlin.
Das Rathaus vor 1521
1317 wird erstmalig ein Rathaus erwähnt. [3] Die älteste Darstellung des Wittenberger Rathauses verdankt die Stadt dem Hofmaler Lucas Cranach d. Ä., der es mit einem Holzschnitt von 1506 festhielt. [4] Dem Betrachter fällt das wüste Durcheinander auf, das den Zustand des Rathauses vor 1520 treffend wiedergibt. Im oberen Viertel des Bildes sieht man das Rathaus als schlichten Fachwerkbau, vermutlich mit 2 Stockwerken [5] an dessen Flanken Buden, Verkaufsstände (sogenannte Scharren) und Häuser gelehnt sind. Da es sich um eine Szenerie handelt, die ein "Turnier am Marktplatz" zeigt, erkennt man dicht gedrängt die Ratsherren und Damen des gehobenen Bürgertums als Zuschauer dieses Spektakels auf dem Balkon.
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Steuerlisten aus der Zeit um 1517 geben uns heute noch Auskunft über die regen handwerklichen und händlerischen Unternehmungen. So gab es zu jener Zeit in Wittenberg: 33 Schuster, 22 Bäcker, 13 Fleischer, 25 Tuchmacher und 4 Gewandschneider. [6]
Nicht nur wuchs der Verwaltungsaufwand der Innungen, Zünfte und Gewerke, auch die 1502 gegründete Wittenberger Universität Leucorea sorgte dafür, dass immer mehr Studenten in die Stadt strömten, die mit allem Lebenswichtigen versorgt werden wollten.
Das alte Rathaus das weiter südlich zur Marktplatzmitte hin stand und die Stadtkirche bildeten ein Ensemble. Die gesamte östliche Häuserzeile war noch nicht oder kaum bebaut, stattdessen standen dort weitere Verkaufsbuden und der Friedhof befand sich zu jener Zeit um die Stadtkirche herum. [7]
Das Rathaus 1521 - 1573
Nicht nur, dass die Verwaltungsaufgaben vom alten Rathaus kaum noch zu bewältigen waren, legten nun auch besonders die gutsituierten Bürgerschichten Wittenbergs Wert auf einen repräsentativen Bau. Auf Drängen der reichen Kaufleute, der Buchhändler, der Gewandschneider und Tuchmacher und weiterer Angehörige der wachsenden Oberschicht begann 1521 der Bau des neuen Rathauses. In den Jahren 1521 und 1541 wurde das neue Gebäude unter der Leitung Bastian Krügers stufenweise aufgebaut, aber auch nach der Fertigstellung fanden zahlreiche Umbauten statt. Erweitert wurde das neue Rathaus nach einem teilweisen Einsturz um 1570. [8]
In dem Bau lässt sich auch heute noch eine Mischung verschiedener Stilepochen entdecken. Die Vorhangfenster sind der Spätgotik zuzuordnen, die Zwerchgiebel mit den Gesimsleisten orientieren sich an der Renaissance und der verschnörkelte Barockstil findet sich in den Voluten der Giebel. Diese Mischung verwundert nicht, macht man sich bewusst, dass die Baumeister unter den architektonischen Moden und Trends dieser unterschiedlichen Stilepochen lebten. Das Hauptportal nicht in die Gebäudemitte zu setzen zeigt die Besonderheit der deutschen Renaissance. Die Baumeister versuchten damit, eine allzu große Starrheit aufzulösen und fanden sie in der A-Symmetrie.
Portal-Vorbau
1573 kommt der Portal-Vorbau (Altan) mit Ornamenten und Figuren des Bildhauers Georg Schröter hinzu (sie wurden 1768 und 1868 durch Nachbildungen ersetzt, Quelle: online). Sie zeigen die Allegorien:
- Glaube
- Liebe
- Hoffnung
- Tapferkeit
- Geduld
- Weisheit
Ebenfalls neu gebaut wurde der Glockenturm für das "Arme-Sünder-Glöckchen". Die läutete, wenn es zu einer Hinrichtung kam. Nachdem Wittenberg 1441 die hohe Gerichtsbarkeit erhielt [9], konnten auch Todesurteile vollstreckt werden. Richtersprüche dieser Art erfolgten zuvor unter der Ritterfigur, dem Roland [10], an der Stadtkirche St. Marien. Nach dem der Altan fertiggestellt war, fanden diese dann direkt am Rathaus, unter der Justitia, statt. [9]
Am 27. Juni 1525 fanden hier, im neuen Rathaus, die offizielle Feier zu Luthers Hochzeit statt. [11]
In diesem neu gebauten Rathaus, war zwischen 1537 und 1544 der Hofmaler Lucas Cranach d. Ä. als Bürgermeister tätig. Hier traf man ihn in der Ratssitzungsstube, dem Archiv oder dem großen Bürgersaal. Diese Räume befanden sich im ersten Geschoss. [12]
Das Rathaus ab 1573
Der eigentlich Haupteingang befand sich vor dem Jahr 1926 an der Ostflanke des Gebäudes. Eine Außentreppe führte in das erste Stockwerk, wie eine Bauzeichnung aus dem Jahr 1750 zeigt. [13] Ausgestattet war das Rathaus mit einer Arreststube, die im Westgiebel lag. [14] Das Ratsgefägnis hatte seinen Platz im Erdgeschoss. Es lag zwischen dem Ratskeller und der Wohnung des Ratskellerwirts. Des Weiteren gab es eine Mehl- und Salzkammer, sowie 4 Gefangenenzellen die Caspar genannt wurden. Auch eine Folterkammer (Marterkammer) war vorhanden.[15] Weit weniger martialisch ging es zur Sache, wenn der einzige Tanzsaal der Stadt in Benutzung war, denn den beherbergte das Rathaus ebenfalls. [16] Am Eingangsportal befindet sich seit jeher die Katzenklappe. Sie diente als Zugang für Katzen, die Nachts den Getreidespeicher auf dem Dachboden von Mäusen freihielten.
Die Nutzung als Lazarett im 7-jährige Krieg (1756 - 1763) machte eine Instandsetzung notwendig, die um 1770 abgeschlossen war.
1928 kam es zu einer kompletten Entkernung des Hauses mit Neuaufteilung der Räumlichkeiten, was notwendig war, denn die Bautätigkeiten der letzten Jahrhunderte führten zu einer Verbauung der Räume.
Bis ins Jahr 2000 wurde das Wittenberger Rathaus als Verwaltungsgebäude der Stadtverwaltung Wittenberg genutzt. Das Neue Rathaus übernahm schließlich diese Aufgabe. Heute befindet sich in dem historischen Bau am Marktplatz der großen Sitzungssaal des Stadtrates, das historische Bürgermeisterzimmer, das Trauzimmer, sowie mehrere Vereins- und Ausstellungsräume.
Dies und Das
- Das Marktrecht erhielt Wittenberg 1354. [17]
- 1332 erlangte die Stadt die niedere Gerichtsbarkeit. [9]
- Die Cranach-Werkstatt war an den Innenausbauten des Rathauses beteiligt. [8]
- Eine prominente Inhaftierte, die im Jahre 1727 einige Zeit in der Arreststube einsaß, war die Giftmischerin Susanne Zimmerman (geb. Hoyer). [14]
- Die Giftmischerin Susanne Zimmerman (geb. Hoyer) war zeitweise im westlichen Giebel des Rathauses untergebracht und konnte von dort in ihre eigene Wohnung schauen. Die lag im Haus Markt 21. [18]
- Vor dem Altan sind heute noch die 4 Eckpfeiler des Schafotts im Pflaster zu sehen. Der Aufbau des Schafotts unterlag einem Kodex, in dem sich die Zimmerleute der Rechtmäßigkeit ihrer Handlung versicherten. Den ersten Hieb des Holzes machte der Stadtrichter, während die Gesellen und Meister im Halbkreis stehend "ihre Aexte auf den Achßeln getragen". [19]
Anmerkungen
Belege
- ↑ Wallanlagen
- ↑ Wittenberg als Lutherstadt, S.16
- ↑ Das Wittenberger Rathaus, S.2
- ↑ Lucas Cranach, Turnier auf dem Marktplatz, 1506
- ↑ TOURIST-Stadtführer, Luth. Wittenberg, S.12
- ↑ Der Beginn der Reformation 1517, S.45
- ↑ Das Wittenberger Rathaus, S.20
- ↑ 8,0 8,1 Wittenberg. Alles ausser Luther, S.73
- ↑ 9,0 9,1 9,2 Rathaus (Lutherstadt Wittenberg)
- ↑ Und hier in Wittenberg, hier um die Stadtkirche, ...
- ↑ Martin Luther – Der Reiseführer, S.28
- ↑ Auf den Spuren Lucas Cranach d. Ä., S.48
- ↑ Das Wittenberger Rathaus, S.10
- ↑ 14,0 14,1 Die Tragödie im Hause Zimmermann, S.21
- ↑ Die Tragödie im Hause Zimmermann, S.43 - 44
- ↑ TOURIST-Stadtführer, Luth. Wittenberg, S.50
- ↑ Wittenberg als Lutherstadt, S.18
- ↑ Die Tragödie im Hause Zimmermann, S.11
- ↑ Die Tragödie im Hause Zimmermann, S.57