
Thesentür
Kurfürst Friedrich der Weise (Friedrich III.) erhielt 1486 die Kurwürde und begann um 1489 das Wittenberger Schloss und die Schlosskirche Allerheiligen auf den Ruinen der Askanierburg zu bauen. 1499 wurde die Thesentür fertiggestellt. Nach Gründung der Wittenberger Universität Leucorea (Collegium Fredericanum) 1502, wandelte sich die Schlosskirche dann von einer Hofkirche zu einer Universitätskirche, deren hölzerne Thesentür als Schwarzes Brett der Universität genutzt wurde. So kam es, dass Martin Luther als promovierter Bibelgelehrter seine 95 Thesen zur Disputation stellte.
Ob er vorsätzlich die Reformation auslöste, ist bislang nicht gänzlich geklärt.
Zerstörung der Original-Thesentür 1760
Die Original-Thesentür, an der Martin Luther seine 95 Thesen angeschlagen haben soll, wurde während des Beschuss seitens kurfürstlicher Reichstruppen 1760 zerstört. Preußische Truppen waren zu jener Zeit in Wittenberg stationiert. Das Schloss mit der Schlosskirche Allerheiligen war damals Teil der Festungsanlage.
Die kriegerische Auseinandersetzung war der 7-jährige Krieg (1756-1763) auch 3. Schlesischen Krieg genannt. An ihm beteiligten sich folgende Länder und Großmächte: England, Preußen, Haus Habsburg, Frankreich, Russland und Spanien. Ebenfalls involviert waren Kursachsen und Kurhannover. Gekämpft wurde um territoriale Zugewinne in Europa und den Kolonien Nordamerikas, Afrikas und Indien. Gewonnen, sofern man davon sprechen möchte, hatte Preußen, das zur Großmacht aufstieg und England, das die größten Landgewinne verbuchen konnte.
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Thesentür ab 1845 bzw. 1858
Die Schlosskirche wurde nach der Zerstörung 1760 und dem Ende der 7-jährigen Krieges 1763 wieder aufgebaut. Die Fassade konnte erhalten werden und stellt sich noch heute dem Besuch dar, wie sie der Architekt (Conrad Pflüger) um 1490 konzipiert hatte. Für einen kompletten Neuaufbau des Innenraums waren zu jener Zeit die finanziellen Mittel nicht vorhanden. An die einstige Pracht und den Prunk vorhergehender Jahrhunderte konnte so nicht mehr anknüpft werden. Erst die Preußen sorgten ab 1845 dafür, dass die Thesentür einen würdigen Nachfolger erhielt.
1845 kam es zum Entwurf einer neuen, doppelflügigen Thesentür. Ferdinand von Quast, Architekt und erster preußischer Staatskonservator (1843), wurde mit dem Entwurf einer neuen Thesentür beauftragt. Ebenfalls mit Entwürfen beigetragen hat der Berliner Bildhauer Friedrich Drake. Friedrich Drake dürfte vielen Besuchern ein Begriff sein als derjenige, der die Viktoria auf der Siegessäule ("Goldelse") in Berlin entwarf.
Aussehen
Wenn der Besucher heute nach oben blickt, sieht er auf den beiden Postamenten die sandsteinernen Figuren der Kurfürsten Friedrich III. (Friedrich dem Weisen) (links) und seinem Bruder Johann dem Beständigen (rechts). In deren Mitte sieht man ein Vorhangbogenfenster mit stilisierten Kurschwertern, ähnlich wie man sie von der Meissner Porzellan-Marke kennt.
Es folgt das sandsteinerne Türgewand (Türrahmen), das im Original erhalten ist. Dies ist ein Teil der Tür welche Martin Luther tatsächlich noch gesehen hat. In der Mitte, über dem (Tympanon), sieht man die Jahreszahl 1499 (in griechisch?).
1. lateinischer Text
Jeweils in den Ecken des Scheitelsteins gibt es einen lateinischen Text, welcher sinngemäß lautet:
"Diese heilige Stätte wurde während des Krieges durch die Flammen zerstört (Jahreszahl). Dieser Oktober erfüllte uns mit großer Trauer. Nachdem sie erfolgreich wieder aufgebaut wurde, im Jahr (Jahreszahl), erhebt sie sich nun noch schöner und ist allein Gott geweiht. (Jahreszahl)"
Abschluss findet der obere Teil des Portals dann mit einem wuchtig-breitem Spitzbogen, der den Baustil der Gotik unterstreicht.
Lavamalerei
In diesem Tympanon zeigt das Gemälde vom Maler August von Kloeber die Wittenberger Stadtsilhouette. Sie ist Hintergrund jener Szenerie in der rechts kniend Martin Luther zu sehen ist, in der Mitte Christus am Kreuz und links, ebenfalls knieend, Philip Melanchthon. Beide halten ihre Lebenswerke in den Händen. Martin Luther das übersetzte Neue Testament, Philipp Melanchthon die Confessio Augustana.
Der Trägerstoff des Gemäldes ist emailliertes Lavagestein. Das Verfahren Lavaplatten zu emaillieren oder zu schmelzen wurde erstmalig auf der Pariser Industrie-Ausstellung 1827 vorgestellt. Beworben wurde dieses Verfahren mit der Witterungsbeständigkeit, den leuchtenden Farben und der einfachen Handhabung der Lavaplatten. Im Nachhinein fielen jedoch einige negativ Effekte auf, die ein breite Anwendung verhinderten: da mit Schmelzfarben gearbeitet wurde, mussten die Maler tüpfeln und schraffieren, auch der Malgrund in weißem Emaille hatte die Neigung zu verlaufen, Blasen zu bilden, einzusinken und abzublättern. [1] Die Lavamalerei konnte sich letztendlich nicht durchsetzen und blieb ein Nischenprodukt.
2. lateinischer Text
Im folgenden Türkämpfer (horizontaler Balken der eine Tür in 2 Teile unterteilt) befindet sich mittig das Wappen Preußens und ein lateinischer Text, der übersetzt lautet:
"König Friedrich IV. hat die durch Feuer vernichtete Tür, an die Martin Luther am 31. Okt. 1517 im Kampf gegen die römischen Ablässe die 95 Thesen als Vorboten der Reformation der Kirche einst anschlug, neu anfertigen und mit Figuren schmücken lassen. Er hat befohlen die Türflügel aus Erz gießen zu lassen und die Thesen darauf zu setzen im Jahre des Herrn 1857."
Musizierende Jünglinge
Die 9 muszierenden Jünglinge auf den Türkämpfern wurden von Friedrich Drake entworfen und stehen für die Bedeutung der Musik für Martin Luther und die Reformation. Martin Luther spielte Laute, war ein passionierter Sänger und komponierte über 30 Lieder. [2] Das wohl bekanntest Stück: "Eine feste Burg ist unser Gott, eine gute Wehr und Waffen" gilt bis heute als Hymne der Reformation. Diese Symbolkraft machte sich Preußen im 19. Jahrhundert zu Nutzen, in dem es die erste Textzeile in großen Lettern, die aus 720.000 Mosaiksteinen bestehen [3], auf dem Kirchturm der Wittenberger Schlosskirche platzierte.
95 Thesen
Bei der Planung der neuen zweiflügeligen Thesentür war zunächst zu klären, ob die Thesen auf deutsch oder in der Originalsprache Latein angefertigt werden sollte. Entschieden hat man sich letztendlich für die Originalsprache auch, um lange Diskussionen mit Gelehrten über die korrekte Übersetzung zu vermeiden. Als Schriftart wählte man die neugotische Minuskelschrift. Ursprünglich waren die 95 Thesen vergoldet. [4] Gegossen wurde sie in der Werkstatt des Bronzegießers und Ziselierers Carl Ludwig Friebel. [5]
Einweihung 1858
Erst 8 Jahre später nach den ersten Entwürfen von 1845 und 3 Jahre nach ihrem Guss (1855) wurde die Thesentür feierlich der Stadt Wittenberg und der Schlosskirche Allerheiligen übergeben. Als Gründe für die Verzögerung ist die Deutsche Revolution von 1848/1849 zu benennen, wie auch der schlechte Gesundheitszustand des preußischen Königs Friedrich Wilhelm IV.. Friedrich Wilhelm litt an einer "Gehirnarteriosklerose" die mit Lähmungen und Schlaganfällen einherging. Seine Regierungsfähigkeit war somit nicht mehr gewährleistet.
Aus Anstand setzte man das letzte Jahr seiner Regentschaft (1857) in den lateinischen Text. Übergeben wurde die Thesentür 1858 von Ferdinand von Quast. [6]
Dies und Das
- Die Thesentür wiegt insgesamt etwa 24 Zentner (1200 Kg). [7]
- Die Gestaltung des Portals kostete 12.000 Taler. [6]
- Spätestens seit der Äußerung des römisch katholischen Kirchenhistorikers Erwin Iserlohn im Jahr 1961, der Thesenanschlag hätte in Wirklichkeit nie stattgefunden, gilt das Ereignis als nicht gesichert. [8]
- Die Schwerter der beiden sandsteinernen Statuen (Kurfürsten) sind 1982/83 erneuert worden. [7]
- Die Thesentür kann geöffnet werden. Dies geschieht jedoch nur zu ganz besonderen Anlässen. [9]
Anmerkungen
Belege
- ↑ Blätter für Kunstgewerbe: organ des Wiener Kunstgewerbe-Vereins, Band 13 S.33
- ↑ Martin Luther und die Musik
- ↑ Wittenberg. Alles ausser Luther, S.71
- ↑ Die Schlosskirche in der Lutherstadt Wittenberg, S.26
- ↑ Wittenberger Thesentür
- ↑ 6,0 6,1 Die Schlosskirche in der Lutherstadt Wittenberg, S.27
- ↑ 7,0 7,1 Thesentür in Wittenberg: Strahlende Patina
- ↑ Hier stehe ich! Luthermythen und ihre Schauplätze, S.80
- ↑ Thesentür an der Schlosskirche Wittenberg