
Schloss und Schlosskirche
Die Geschichte des Wittenberger Schloss beginnt mit ein paar Reihen hölzernen Palisaden und einem Wachturm, mit dem sich gut die Gegend überblicken lässt. Den Burgward "Wittenburg" den Sie sich vorstellen können, steht längs der Elbe um das Jahr 1180. [1] Zunächst waren es die Slawen, die das Gebiet um Wittenberg besiedelten, dann die Flamen, die ihr Heimatgebiet in den Niederlanden verließen, weil Überschwemmungen und Sturmfluten es immer wieder zerstörten. Sie folgten dem Ruf Albrechts dem Bären, der die Besiedelung der Mark Brandenburg und Sachsen vorantrieb.
Die Flamen wussten aus dem bis dato sumpfigen Land fruchtbaren Boden zu gewinnen. Zahlreiche Siedlungen entstanden und Wittenberg war eine davon. 1340 beginnt der Askanierfürst Rudolf I. mit dem Bau einer Burg und einer Kapelle an der Stelle, an der heute das Schloss und Schlosskirche in Wittenberg stehen. Die Askanier regieren bis zu Albrecht dem Armen (Albrecht III.) 1422. Dann geht ihre Herrschaft in Sachsen-Wittenberg zu Ende. Als Albrecht den Thron besteigt ist das Land von Kriegen geschwächt und die Staatskasse leer. Einen Nachkommen hat er nicht gezeugt.
Politik und Erbfolge
Zunächst kommt am 6. Januar 1423 Friedrich der Streitbare (Friedrich I.) an die Macht. Mit ihm geht die Kurwürde für Sachsen-Wittenberg von den Askaniern auf die Wettiner über. Ihm folgt am 4. Januar 1428 sein Sohn Friedrich der Sanftmütige (Friedrich II.). Anschließend übernimmt sein Sohn Ernst das Ruder. Die Leipziger Teilung sorgt am 26. August 1485 für die Teilung Sachsens in ein ernestinisches (Ernst) und albertinisches Sachsen (Albrecht). Auf den Tag genau, ein Jahr später, fällt Ernst vom Pferd und stirbt am 26. August 1486.
Und nun sind wir beim Bauherren des Wittenberger Schloss und der Stiftskirche Allerheiligen angelangt: Friedrich dem Weisen (Friedrich III.) aus der ernestinischen Linie. 1486 erhält er die Kurwürde. Seine eigentliche Residenz, die er seit seiner Geburt (1463) bewohnt, ist Schloss Hartenfels in Torgau, keine 50 Kilometer von Wittenberg entfernt.
Die mittlerweile 150 Jahre alte Askanierburg in Wittenberg ist in einem desolaten Zustand. Auch die dazugehörige Kapelle, die kaum größer ist, als die Fronleichnamkapelle auf dem Kirchplatz der Stadtkirche St. Marien in Wittenberg [2], reicht den Vorstellungen und Anforderungen des frommen Friedrichs an ein Gotteshaus bei weitem nicht aus.
Die Arbeiten an einer neuen Residenz nebst Kirche beginnen somit 1489, auf den Fundamenten der untergangenen Dynastie der Askanier.
Schloss und Schlosskirche 1489 - 1509
Conrad Pflüger, der um 1500 einer der bedeutendsten Architekt Mitteleuropas war, ist als aufsichtsführender Werkmeister des Schloss- und Kirchenneubaus nachweisbar. [3] Er wird ein Schloss bauen, dass die Spätgotik zeigt und sich deutlich an der deutschen Renaissance orientiert.
Es steht auf einem Sockel, das von der Stadtbefestigung umzogen ist. Die Stärke dieser Wehranlage lässt es zu einem Wohnschloss werden und weniger zu einem armierten Burgschloss. Denn dank der beiden Bastionen "Backofen" (im Südwesten) und "Scharfes Eck" (im Nordosten) können Vorhangbogenfenster eingebaut werden, wo eigentlich hätten Scharten hin gehört. [4] Das verleiht dem Wittenberger Schloss jene pittoreske Leichtigkeit, die es zu einem der prächtigsten Renaissanceschlösser der damaligen Zeit macht. Die Bürger sahen um 1509 ein fast fertiges Hauptschloss, mit großen, langgezogenen Satteldächern. Die beiden Türme sind mit Vorhangbogenzwillingsfenstern vertikal durchzogen. Bekrönt sind sie mit behaglichen Hauben, die von umlaufenden Giebelchen durchbrochen sind und so den Gesamteindruck weiter auflockern. Auch im Innern setzt sich die Zierde in üppiger Ausstattung fort: Fenster in Blei, venezianische Scheiben, Täfelungen, kostbare Schnitzereien sowie Wandmalereien und Gemälde. [5]
Wink: Es gibt noch keine Seite über die Wittenberger Wehranlagen. Erstellen Sie hier Ihr kostenloses Benutzerkonto, aktivieren Sie Ihre Autorenseite und teilen Sie Ihr Wissen mit anderen! |
Baureihenfolge
Auch wenn auf dem gesamten Gelände gearbeitet wurde, gibt es doch eine feste Reihenfolge in der der Bau des Schlosses vonstattenging: [6]
- Elbflügel (Südflügel) mit südwestlichem Turm
- Mittelflügel (Westflügel)
- Innenausbau Elbflügel
- Nordflügel (Schlosskirche)
- Nordwestlicher Turm
- Bau des Vorschlosses
1496/97 wird mit dem Bau der Schlosskirche (Nordflügel) begonnen. Zunächst wird dafür die alte Kapelle abgerissen. Jetzt, wo es kein Gotteshaus mehr gibt, wird die Messe nach Erlaubnis des Brandenburger Bischofs in der Hofstube des neu gebauten Elbflügels abgehalten. Die Thesentür erhält ihren Platz im Jahr 1499. Die Bauarbeiten gehen schnell voran. Bereits im Jahr 1503 wird die Schlosskirche als "Allerheiligenkirche" geweiht.
Ein Holzschnitt aus dem Jahr 1506 vom Hofmaler Lucas Cranach d. Ä. zeigt die Schlosskirche, wie sie damals ausgesehen hat. [7] Gut zu erkennen ist die spätgotische Haube und die Vorhangbogenfenster der Nordturms. Der Zugang zur Kirche ist mit zwei Holzstegen gewährleistet, die von einer Umzäunung aus zugänglich war. Unter den Stegen flossen die beiden Stadtbäche Rischebach und der Faule Bach.
Geplant war von Anfang an eine zweiteilige Schlossanlage, bestehend aus Haupt- und Nebenschloss. Das Hauptschloss lässt sich von den Besuchern auch heute noch entdecken: es handelt sich um den westlichen Teil, den mit den beiden Wohntürmen. Leicht zu erkennen, durch die drei Geschosse. Das Vorschloss hingegen, zweigeschossig, hat die Jahrhunderte sehr schlecht überstanden: von den ehemals drei Original-Flügeln die den Schlosshof bildeten, ist tatsächlich nur noch der Durchgang vorhanden, durch dem man den Schlosshof betritt. Damals war hier im Untergeschoß der Dienstsitz des Amtmannes sowie ein hoher Rechteckturm der den Durchgang bekrönte. [8] Der Ostflügel damals bot Platz für die Küche, das Zeughaus, Stallung und Kutschen.
Schloss und Schlosskirche 1510 - 1525
Die Schlosskirche als Wallfahrtskirche
Machen wir uns bewusst, dass Kurfürst Friedrich der Weise, der Bauherr des Schlosskirche Allerheiligen, ein äußerst frommer Mann war. Er verfügte über die größte Reliquiensammlung nördlich der Alpen. Anfangs ca. 5.000 Stück, wuchs sie mit den Jahren auf rund 19.000 Stücke an. Für die Reliquiaren (Aufbewahrungsgefässe von Reliquien) wurde ab 1516 an der Ostseite der Kirche eigens eine "Heiltumskammer" errichtet. In ihr fanden dann 6.769 Partikel in den Reliquiaren ihren Platz. [9] Von der Heiltumskammer ist heute allerdings nichts mehr zu sehen.
Durch die große Ansammlung dieser Heiltümer wurde die Schlosskirche zur Wallfahrtskirche. Zu Allerheiligen wurden die Reliquien vom Kurfürsten ausgestellt. Immerhin versprach ihre Anbetung den Gläubigen bis zu zwei Millionen Jahre Ablass. So wurden im Jahr 1517 allein in der Schlosskirche 40.932 Kerzen verbraucht die bei rund 30 Messen am Tag angezündet wurden. Für das Jahr 1519 sind insgesamt 4.000 Messen belegt. [10] Eine weitere Quelle spricht von 83 Klerikern die für die Messen zuständig waren und einem Verbrauch von 35.000 Pfund Wachs. [11]
Der Hofmaler Lucas Cranach d.Ä. katalogisierte im Jahr 1509 5005 Reliquien und ihre Gefäßen im "Wittenberger Heiltumsbuch" und fertigte dafür 117 Holzschnitte an. [12]
Bauliches
Auf dem Schlosshof wurde 1517-1518 ein sechseckiger Brunnen errichtet. Laut Beschreibung trugen 6 Säulen ein Schieferdach. Betrieben wurde er wahrscheinlich auch mit dem Wasser des Jungfernröhrwassers, zumindest zeitweise. Es wird vermutet, dass er um 1814 abgerissen wurde. [13]
Vom ehemaligen Elbflügel selbst, dem Südflügel, ist bis auf Fundamentreste nichts übrig geblieben. Sie lassen sich heute noch im Untergeschoss des 2016 fertiggestellten Christine-Bourbeck-Haus besichtigen.
1525 wird der Schlosshof gepflastert. [14]
Bau des Vorschloss 1515 - 1525
1515 beginnen die Beratung zum Bau des Vorschlosses. Dem Baumeister Hans Zinkeisen wurde 1521 die Verantwortung für die Arbeiten übertragen, nach dem sein Vorgänger, Hans Meltwitz, verstarb. Eins lässt sich bei dem Bauvorhaben mit Sicherheit sagen: der Bau der Vorschlosses wurde weit weniger motiviert ausgeführt, als es beim Bau des prunkvollen Hauptschlosses der Fall war. [15]
Eine besonders üppige Ausstattung erhielten trotzdem die Stockwerke des Nordflügels (an der Schlossstraße): Einen Saal mit Deckengemälden, der durch einen Kamin beheizt wurde, gab es im Untergeschoss. Der dritte Stock beherbergte einen reich verzierten Raum, mit eingefasstem Tafelwerk (Vertäfelungen), zehn Fenstern, Gemälden historischer Szenerien in den Farben Gelb und Blau, sowie eine Deckenbemalung auf Leinwand, die mittig das Kurwappen zeigt und weiteren Wappen, die um es herum angeordnet sind.
Der Hofmaler Lucas Cranach d. Ä. war zu diesem Zeitpunkt bereits 10 Jahre am Hof des Kurfürsten. Es ist also anzunehmen, dass ihm die Leitung für die Durchführung dieser Arbeiten übertragen wurde. [15]
Wink: Es gibt noch keine Seite über Johannes Bugenhagen. Erstellen Sie hier Ihr kostenloses Benutzerkonto, aktivieren Sie Ihre Autorenseite und teilen Sie Ihr Wissen mit anderen! |
1525 wird der Schlosshof gepflastert. [16] Der Bau des Wittenberger Schlosses gilt damit als abgeschlossen.
Wiederaufbau 1885
Im Jahre 1885 beginnt der Wiederaufbau der Schlosskirche, diesmal unter preußischer Leitung. Der Nordturm wird hierbei um 50 Meter aufgestockt und hat nun eine Gesamthöhe von 88 Metern. Die Schriftumrandung wird aus 720.000 Mosaiksteinen angefertigt. Jedes einzelne hat eine Kantenlänge von 1 cm. Die Höhe der einzelnen Lettern beträgt 1.75 Meter.
Schlossplatz
Alte Cancley
Der enge Freund und Mit-Reformator Martin Luthers, Justus Jonas, bewohnte mit seiner Familie ab dem Jahr 1523 den Probstsitz, gegenüber der Schlosskirche. Er kaufte das Haus 1528 für 150 Gulden. Es sollte abgerissen werden, weil es direkt am Stadtwall lag und schon des Öfteren so stark beschädigt wurde, dass es einzustürzen drohte. Martin Luther setzte sich jedoch erfolgreich für dessen Erhalt ein, so dass die Besucher es noch heute als "Alte Canzley" betrachten können. [17]
Dies und Das
- Der Bau des Schlosses samt Schlosskirche hat insgesamt 32.466 Gulden, 13 Groschen und 9 Pfennige gekostet. [5]
- Die Schlosskirche wurde 1507 zur Universitätskirche. [18]
- 1518 hielt Philipp Melanchton seine Antrittsrede in der Schlosskirche
- Der Turm der Schlosskirche ist 88 Meter hoch. Der Innenraum der Kirche ist 53 Meter lang, 13 Meter breit und 22 Meter hoch. [19]
- Die Ziegel für den Bau des Schlosses wurden in Wittenberg gebrannt. Verwendet wurden auch Bruchsteine aus der alten Askanierburg, die die Ziegelmauern durchsetzten. [8]
- Die Schlosskirche war mit insgesamt 26 Altären ausgestattet [20]
- In der Schlosskirche fand 1512 Martin Luthers Promotion zum Doktor der Heiligen Schrift statt. [21]
Anmerkungen
Belege
- ↑ TOURIST-Stadtführer, Luth. Wittenberg, S.7
- ↑ Die Spuren der Leucorea, S.46
- ↑ Konrad Pflüger
- ↑ Schriftenreihe des Stadtgeschichtlichen Museums Wittenberg 1, S.27
- ↑ 5,0 5,1 Wittenberg als Lutherstadt, S.47 - S.48
- ↑ Wittenberg als Lutherstadt, S.45
- ↑ Schlosskirche 1509
- ↑ 8,0 8,1 Schriftenreihe des Stadtgeschichtlichen Museums Wittenberg 1, S.28 - S.29
- ↑ Der Beginn der Reformation 1517, S.26
- ↑ Der Beginn der Reformation 1517, S.31
- ↑ Wittenberg in Wort und Bild, S.8
- ↑ Maler und Werk, Cranach d. Ä., S.8
- ↑ Schriftenreihe des stadtgeschichtlichen Zentrums Wittenberg 13, S.26
- ↑ Wittenberg als Lutherstadt, S.47 - S.48
- ↑ 15,0 15,1 Schriftenreihe des Stadtgeschichtlichen Museums Wittenberg 1, S.31 - S.32
- ↑ Wittenberg als Lutherstadt, S.47 - S.48
- ↑ Der Männer Lust und Freude sein, S.58
- ↑ Schriftenreihe des Stadtgeschichtlichen Museums Wittenberg 1, S.37
- ↑ Die Schlosskirche in der Lutherstadt Wittenberg, S.10
- ↑ Schlosskirche Wittenberg, Baugeschichte
- ↑ Martin Luther – Der Reiseführer, S.48