
Bäche & Wasserversorgung
Um das Jahr 1293, als Wittenberg das Stadtrecht vom Askanierherzog Albrecht II. erhielt, war die Wasserversorgung der Bürger ausschließlich durch Brunnen gesichert. Zwar gab es die Elbe mit ihren Elbufern, aber Flusswasser war Brauchwasser und nur bedingt für den Verzehr geeignet. Die Leute wussten schon damals, ohne Laborprüfung und Analysen, um die Gefahren von verseuchtem Wasser. Sie beobachteten Menschen und Tiere wie es ihnen erging, wenn sie Wasser aus Quellen tranken und sie nutzten Flussfische, um an ihnen die Qualität von Wasser zu überprüfen.
Wittenberg wächst und immer mehr Handwerker siedeln sich mit ihrem Gewerbe an. Zunächst sind es Bäcker, Fleischer, Tuchmacher und Schuhmacher, nach 1350 sind es die Gerber, Kürschner, Schmiede, Böttcher und Leineweber, die vom Rat der Stadt als anerkanntes Gewerbe Wittenberg mit ihren Produkten versorgen. [1] Sie alle brauchen Wasser. Auch der Askanierherzog Rudolf I. (der älteste Sohn von Albrecht II. von Sachsen-Wittenberg) will in Notzeiten unabhängig sein und lässt am Schlossplatz eine Amtsmühle bzw. Mahlmühle errichten. Sie will ebenfalls durch Wasserkraft angetrieben werden.
2 Bäche werden ab 1320 für die Wasserversorgung in die Stadt geleitet. Anfangs haben die Bäche noch gar keine Namen. Ein Dokument von 1410 spricht von "der beke up dem markte" und von "der anderen beken in die Judengasse". "Beke" ist das niederdeutsche Wort für Bach. Erst 1420 findet sich der Name des ersten Baches, der nach Wittenberg geleitet wurde: "die rische beke", der "Rischebach". [2]
Im Jahr 1320 wird also zunächst einmal der Rischebach in die Stadt geleitet. [3]
Rischebach
Der Rischebach (rascher Bach) entspringt nördlich vom Dorf Straach, der alten Flamensiedlung, und führt mit starkem Gefälle durch:
- Nudersdorf
- Braunsdorf
- Reinsdorf
- Piesteritz
um anschließend in die Elbe zu münden. Etwa 13 Wassermühlen hat er bereits angetrieben, wenn er nach Wittenberg hereinfließt. [4]
Auf Grund der starken Befestigung Wittenbergs mittels Gräben, Wallanlagen und Mauern musste der Rischebach immer wieder mit Archen in seinem Verlauf unterstützt werden. Archen waren Holztröge auf Holzgerüsten, die vom Amt betrieben und gewartet wurden und die Höhenunterschiede ausglichen und Hindernisse überwanden.
Hinter dem Rathaus wurden mit dem Wasser des Rischebach die Fischkästen der Elbfischer mit Wasser versorgt. [5]
Faule Bach
Zum Betrieb der Amtsmühle reichte das Wasser des Rischebachs nicht (mehr?) aus, so dass im 14. Jahrhundert dann auch der "Faule Bach" in die Stadt umgeleitet wurde. Er entspringt südlich von Woltersdorf und fließt durch:
- Abtsdorf
- Labetz
- die "Specke"
und mündet dann ebenfalls ursprünglich in die Elbe. Auf seinem Weg in die Stadt, am "Haus der Schaffenden“, nimmt der Faule Bach auch Wasser des "Trajuhnschen Bachs" auf. [4] Er fließt gegenüber der (ehemaligen) Hauptpost zu den Häusern der Mittelstraße und erreicht unterirdisch den Holzmarkt. [4]
Nach ihren Wegen durch die Stadt wurden dann beide Bäche an der Amtsmühle zusammengeführt und offen an der Schlosskirche vorbeigeleitet. So kommt es, dass auf dem Holzschnitt von 1509 von Lucas Cranach d. Ä. der Zugang zur Schlosskirche mit Holzstegen abgedeckt ist. [6]
Abschließend flossen dann diese beiden Bäche durch einen unterirdischen Wall unter dem Schlosstor hindurch in den Stadtgraben. Der hatte dadurch eine gleichbleibende Tiefe von etwa 9 Metern.
Franzosengraben
Es gab auch den sogenannten "Franzosengraben" in Wittenberg. Dieser, 1813 (während der napoleonischen Kriege, 1803-1815) von den Franzosen angelegte Graben, wurde mit dem Wasser des Rischebachs gespeist und sorgte dafür, dass die Mühle auch in Kriegs- bzw. Belagerungszeiten betrieben werden konnte. [7]
Brunnen
Brunnen (niederdeutsch "Bornen") waren ein weiters Mittel die Wasserversorgung, speziell mit Trinkwasser, in der Stadt sicher zu stellen. Günstig in Wittenberg ist die geringe Tiefe des Grundwassers. Schon nach 3-4 Metern Tiefe, trifft man hier auf sauberes Wasser.
Um 1520 gab es 11 öffentliche Brunnen in der der Stadt, die von "Bornherren" mehr recht als schlecht in Stand gehalten wurden. In den allermeisten Fällen handelte es sich um Ziehbrunnen. Anwohner mussten für die Nähe zu einem Brunnen einen Wasserzins zahlen. Der schwankte zwischen 12 Groschen und 6 Pfennigen im Jahr. Geld, das nicht immer gezahlt wurde, was dazu führte, dass die Brunnen zeitweise in einem äußerst schlechten Zustand waren. Kurfürst Johann Georg mahnte deshalb 1628 an, die Brunnen besser zu warten, damit die Wasserversorgung auch in Kriegszeiten, wenn das Bachwasser von feindlichen Truppen entzogen wird, sichergestellt ist. [8]
Neuzeit
Um 1873, zu Zeiten der preußischen Stadtentfestigung, wurden die Bäche abgedeckt, was aus Sicherheits- und Hygenegründen geschah. Anfang der 1990er Jahre kam dann die Idee auf, die Bäche wieder zu öffnen. Dafür mussten zunächst die technischen Voraussetzungen geschaffen werden, denn die Infrastruktur war dafür nicht ausgelegt. Ab 2001 wurden dann nach und nach Abschnitte der beiden Bäche geöffnet. [9]
Dies und Das
- Unterschiedliche Zeitangaben: Die beiden Stadtbäche wurden um 1430 in die Stadt geleitet. [10]
- Um 1600 hatte Wittenberg 11 öffentliche und 46 private Brunnen, die etwa 3000 Bürger mit Wasser versorgten. [8]
- Der Rischebach hat eine Länge von 15,3 km. [2]
- Der Faule Bach hat eine Länge von 9,8 km. [2]
- Im 17. Jahrhundert wurde am Markt der Faule Bach zum Teil mit Steinplatten abgedeckt. Im Volksmund hießen sie "Velobungsplatten". S.15
Anmerkungen
Belege
- ↑ Schriftenreihe des Stadtgeschichtlichen Museums Wittenberg 5, S.7
- ↑ 2,0 2,1 2,2 Schriftenreihe des stadtgeschichtlichen Zentrums Wittenberg 13, S.12 - S.14
- ↑ Schriftenreihe des stadtgeschichtlichen Zentrums Wittenberg 13, S.9
- ↑ 4,0 4,1 4,2 Das Straacher Tal – Der Rischebach
- ↑ Schriftenreihe des stadtgeschichtlichen Zentrums Wittenberg 13, S.10
- ↑ Schlosskirche 1509
- ↑ Schriftenreihe des stadtgeschichtlichen Zentrums Wittenberg 13, S.19
- ↑ 8,0 8,1 Schriftenreihe des stadtgeschichtlichen Zentrums Wittenberg 13, S.23 - S.24
- ↑ Historische Bäche in der Altstadt
- ↑ Schriftenreihe des Stadtgeschichtlichen Museums Wittenberg 1, S.20