
Melanchthonhaus
Als Philipp Melanchthon 1518 nach Wittenberg kommt, lebt er zunächst mit einigen Studenten in einem angemieteten Haus. Nach Gründung einer Familie mit der Tochter des Bürgermeisters und Gewandschneiders Hans (Hieronymus) Krapp, der bürgerlichen Katharina Krapp, beziehen die Eheleute bereits ein Jahr nach Bauauftrag 1536 das Haus. Es ist noch nicht komplett fertig, aber bewohnbar. 1539 ist der Ausbau/Bau des Melanchthonhauses abgeschlossen. Philipp Melanchthon wird bis zu seinem Tod 1560 hier wohnen.
Dies und Das
Den Auftrag zum Bau erteilte es der damalige sächsische Kurfürst Johann Friedrich den Großmütige.
Der planende Baumeister ist nicht bekannt. Die Gliederung der Fassade entspricht der damaligen modernen Formensprache, die sich an italienischen Vorbildern orientiert. [1]
Etwa 1000 Gulden hat der Bau des Hauses gekostet, wovon ca. 500 Gulden aus der kurfürstlichen Kasse bestritten wurden, mit 250 Gulden beteiligte sich die Universität Leucorea. [2]
Die Nutzung der Räume während des 16. Jahrhunderts ist nicht eindeutig nachzuweisen. [3]
Der Neubau wurde im Jahr 2013 fertiggestellt. Er erweitert das Museum um 365 Quadratmeter Nutzfläche. [4] Mit dem historischen Melachthonhaus stehen somit rund 600 Quadratmeter zu Verfügung.
Im einen kleinen Nebengelass (kleiner Nutzraum), wohnte Melanchthons Bediensteter (Johannes Koch?). [5]
Fassade
In der Fassade des Melachthonhauses sehen wir als Eingang ein typisches Renaissance/Spätgotik Sitznischenportal. Gewändeportale mit Sitznischen finden sich besonders in Mitteldeutschland. [6] Hier fehlen keine Skulpturen oder ähnliches, nein, solche Nischen wurden tatsächlich zum Sitzen genutzt, manchmal auch um auf Pferde aufzusteigen. Ich habe auch davon gehört, dass Wandersleute, die sich dort niederließen manchmal vom Hausherren Essen gereicht bekamen. Das dürfte aber nicht üblich gewesen sein, sondern war wohl eher eine lokale Begebenheit.
Die erste Gedenk- bzw. Namenstafel überhaupt, die in Wittenberg zu bewundern ist, findet sich in Form einer gusseisernen Platte an der Fassade. Sie ist 1845 für Philipp Melanchthon hier angebracht worden.[7] Also zu Zeiten preußischer Umgestaltung Wittenbergs zum Gedenkort der Reformation.
1620 kam der Torweg (Durchfahrt, gleich rechts neben dem Haus) hinzu. [8]
Parterre
Durch den Torweg hindurch, gelangen wir in den historischen Teil des Museum: das eigentliche Melanchthonhaus. Ein langer Flur führt bis zum Garten. Auffällig hier ist die Scheinbogenarchitektur, mit der Baumaterial eingespart wurde ohne die Statik zu beeinträchtigen. Hier lässt sich auch das Sitznischenportal von innen betrachten. Eingefasst ist eine Klöntür, wie sie den früheren Jahrhunderten, besonders in ländlichen Gebieten, üblich war. Man konnte mit den Passanten "klönen", während die Tiere (z.B. das Vieh) nicht herein oder heraus konnten. [9]
Eine geräumige, einst repräsentative *Empfangshalle* nimmt die Besucher auf. An der Wand ist hier noch der ursprüngliche Treppenverlauf zu sehen. Gerade Treppen verbanden früher die jeweiligen Stockwerke miteinander. Sie wurden .....DATIERUNG? .... durch Wendeltreppen ersetzt, um .....GRUND? .... zu schaffen.
Nachweisen lässt sich der nächste Raum als Küche. An der Wand zu sehen ist der Kragstein, an dem in den in den früheren Jahrhunderten, über der Feuer- bzw. Kochstelle, die Töpfe aufgehängt wurden. Die Bezeichnung, man möge 'einen Zahn zulegen' stammt aus eben jener Zeit. Der Topf wurde einen Zahn niedriger über das Feuer gehängt, so dass sich die Garzeit beschleunigte. [10]
Der nächste Raum ist wahrscheinlich der Speisraum gewesen. Hier hat Familie Melanchthon ihre Mahlzeiten eingenommen. Aber nicht nur sie: im Hause waren meistens 3 bis 4 Studenten einquartiert. Es war üblich und auch geboten, dass jede Lehrkraft der Universität Studenten aufnimmt. So war Philipp Melanchthon glücklich an einem Tag 11 verschiedene Sprachen an seinem Esstisch zu vernehmen. https://www.ekd.de/100626_schneider_melanchthon.htm
1. Stock
Studier- und Sterbezimmer
Zum 400. Geburtstag Philipp Melanchthons, am 16. Februar 1897, wurde im Studier- und Sterbezimmer eine Feierlichkeit abgehalten, in der das damals leere Zimmer mit Blumen geschmückt war. Ein Jahr später wurde der Wunsch geäußert, man möge das Zimmer doch einer "würdigen Umgestaltung" unterziehen. Es erfolgte zunächst eine Bauuntersuchung. Anschließend wurde das Zimmer mit Möbeln im "altdeutschen Stil" zunächst entworfen und dann ausgestattet. Wie es ungefähr auszusehen hatte, das ließ sich an historischen Zeitdokumenten rekonstruieren, speziell in einem Bericht der Universitätsprofessoren von 1560, die das Sterben Melanchthons begleiteten, konnte einiges herausgelesen werden. Und auch die Lutherstube diente als Ideenbringer sowie Grafiken aus jener Zeit.[11]
Die Wände schmücken seit dem auch die Wappen engerer Freunde und Wegbegleiter Philipp Melanchthons:
Wappen
Über der Eingangstür das Wappen der Familie Krapp. Krapp ist eine Färberpfanze (rot), so dass die Verbindung zum Beruf des Gewandschneiders, das der Vater von Katharina Hans Krapp ausübte, hergestellt ist. "Wenn Gott für uns ist, wer mag gegen uns sein?" (Römer 8:31) sind in lateinischer Sprache in das Wappen eingemalt.
Links neben der Tür zum Nebenraum befindet sich das Wappen Johannes Bugenhagens, mit der Inschrift: "Zu wissen, dass man Christus gut kennt, reicht aus".
Rechts neben der Tür ist das Wappen seines Freundes Joachim Camerarius d.Ä.. Das Leitmotiv ist die Treue der Krähen (des Wappenvogels der Camerarii), die auch über den Tod hinausgehe [12] und zeigt dem Betrachter demnach 3 Krähen im Dreieck.
Folgen wir dem Wandverlauf nach rechts, sehen wir an den Fenstern die Lutherrose. "Im Schweigen und in der Hoffnung wird eure Stärke bestehen", dieser viel zitierter Wahlspruch Luthers drückt das Gottvertrauen in Zeiten von Drangsal und Bedrängnis aus.
Als letztes Wappen sehen wir das von Caspar Peucer, dem Ehemann Magdalena Melanchthons, der jüngsten Tochter Melanchthons. 1566 wurde er durch Kaiser Maximilian II. in den erblichen Adelsstand erhoben. Ab 1570 wurde er Leibarzt des Kurfürsten August von Sachsen.
Von hier aus haben wir auch gleich einen guten Blick auf den ausladenden Ofen, hierbei handelt es sich ebenfalls um einen Hinterladerofen. Original ist er leider nicht, sondern orientiert sich detailliert (Kopie) an einem Ofen aus dem ehemaligen Kloster von Paulizella.
Interessanterweise gibt es vom Studier- und Sterbezimmer ein Bild von 1863, in dem ein Ofen dort stand, wo jetzt das Bett steht. [13]
2. Stock
Im 2. Stock des Melanchthonhauses steht der Ofen (Hinterladerofen) aus dem 16. Jahrhundert (1570) Er stand bis 1900 auf dem Boden des Rathauses und wurde dem Melanchthonhaus nach 1900 übergeben. [14]
Bautafel des Neubaus [15]
Architekten: Dietzsch & Weber Architekten, Halle
Projektbeteiligte: Ingenieurbüro Kowalski & Irmisch, Halle (Tragwerksplanung); MLT Medien Licht Technik Ingenieure, Leipzig (Haustechnik); Büro für Bauphysik Manfred Weiße, Halle (Bauphysik); Atelier Le Balto, Berlin (Gartengestaltung); AKA-Klinker, Peine (Klinker)
Bauherr: Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt, Lutherstadt Wittenberg
Fertigstellung: 2013
Standort: Collegienstraße 60/61, 06886 Lutherstadt Wittenberg
Anmerkungen
Belege
- ↑ Ad fontes! Zu den Quellen!, S.96
- ↑ Ad fontes! Zu den Quellen!, S.96
- ↑ Ad fontes! Zu den Quellen! Katalog zur Dauerausstellung, S.103
- ↑ Erweiterung Melanchthonhaus in Wittenberg
- ↑ TOURIST-Stadtführer, Luth. Wittenberg S.45
- ↑ Sitznischenportale in Sachsen/Mitteldeutschland
- ↑ Erste Tafel von 1845
- ↑ Ad fontes! Zu den Quellen!, S.96
- ↑ Klöntür
- ↑ Redensart: einen Zahn zulegen
- ↑ Ad fontes! Zu den Quellen! Katalog zur Dauerausstellung S.105
- ↑ 3 Krähen
- ↑ Datei:Studier- und Sterbezimmer 1863.jpg
- ↑ Lutherstadt Wittenberg, Geschichten - Gestalten - Geschichte, S.52
- ↑ Bautafel des Neubaus